Was ist der digitale Nachlass?
Der digitale Nachlass bezieht sich auf die digitalen Spuren und Informationen, die eine Person im Internet hinterlässt, wenn sie verstirbt oder nicht mehr in der Lage ist, ihre Online-Präsenz zu verwalten. Dazu gehören E-Mails, Social-Media-Profile, Online-Konten, Dateien in der Cloud und vieles mehr. Es ist wichtig, den digitalen Nachlass zu verwalten, um persönliche Daten zu schützen und den digitalen Fußabdruck eines Verstorbenen zu bewahren oder zu löschen.
Im Detail zählen dazu u.a. folgende Informationen:
- Vertragsbeziehungen zu Providern für Host-, Access- oder E-Mail-Dienste,
- Nutzungsrechte an Domainnamen,
- Vertragsbeziehungen zu Anbietern sozialer Netzwerke (z. B. Facebook, Twitter, Xing, LinkedIn)
- Vertragsbeziehungen zu Anbietern virtueller Konten etwa für Online-Banking und Zahlungsdienste, Online-Märkte, Versandhandel usw.
- E-Government (FinanzOnline, Handy-Signatur/Bürgerkarte)
- Mediendienste (Netflix, Online-Abos von Zeitungen)
- Eigentumsrechte des Verstorbenen an Hardware,
- Nutzungsrechte an Software,
- Urheberrechte und Rechte an hinterlegten Bildern und Videos, Einträge in Foren und Blogs.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Legen Sie frühzeitig fest, wer sich um Ihre digitale Vorsorge und Erbschaft kümmern soll, sowie was mit Ihren Konten und Daten geschehen soll, falls Sie dazu nicht mehr in der Lage sind.
- Es empfiehlt sich, eine vertrauenswürdige Person zu benennen, die für alle Angelegenheiten Ihres digitalen Lebens verantwortlich ist, und dies schriftlich in einer Vollmacht festzuhalten.
- Erstellen Sie eine detaillierte Liste Ihrer Accounts mit Benutzernamen und Passwörtern für Ihre benannte Vertrauensperson.
Warum sollten Sie rechtzeitig Ihr digitales Erbe regeln?
Regeln Sie Ihren digitalen Nachlass rechtzeitig. Für Hinterbliebene ist die Auseinandersetzung mit dem digitalen Erbe nicht nur eine zeitraubende Aufgabe. Das Auffinden von Informationen im Internet stellt auch eine erhebliche emotionale Belastung dar. Im Vergleich zur analogen Welt entspräche dies dem Durchforsten von Umzugskartons voller Fotos und der Entscheidung, ob jedes Bild aufbewahrt werden soll oder nicht.
Digitaler Nachlass – das ist zu tun
Kümmern Sie sich rechtzeitig um Ihren digitalen Nachlass und nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um alle wichtigen Punkte umzusetzen und nichts zu vergessen. Umso leichter haben es später Ihre Angehörigen.
- Erstellen und aktualisieren Sie eine Liste mit Zugangsdaten für E-Mail-Konten, Online-Accounts und Verträge. Speichern Sie diese sicher, z.B. auf einem verschlüsselten USB-Stick oder in einem Bankschließfach. Ein Passwortmanager kann helfen.
- Denken Sie an alle digitalen Geräte, auf denen persönliche Daten gespeichert sind. Sichern Sie den Zugriff für Ihre Erben, besonders bei mobil genutzten Programmen.
- Überprüfen und bereinigen Sie Ihre digitalen Daten regelmäßig. Löschen Sie nicht mehr benötigte Dateien und Accounts.
- Treffen Sie Vorkehrungen für den Zugriff und die Verwaltung Ihrer Daten nach Ihrem Tod. Passen Sie Einstellungen in sozialen Netzwerken an.
- Legen Sie fest, wer sich um Ihren digitalen Nachlass kümmern soll und teilen Sie ihm die Liste mit.
- Erstellen Sie eine Vollmacht, die klare Berechtigungen und Anweisungen für Ihre Daten enthält.
- Verfassen Sie die Vollmacht handschriftlich, datieren und unterschreiben Sie sie. Lassen Sie sie notariell beglaubigen, um Sicherheit zu gewährleisten.
- Übergeben Sie die Vollmacht an Ihre Vertrauensperson und informieren Sie Ihre Angehörigen über diese Regelung.
- Geben Sie keine Zugangsdaten oder Endgeräte an Unternehmen weiter, um Ihren digitalen Nachlass zu verwalten, da die Zuverlässigkeit solcher Dienste schwer einzuschätzen ist.
Welche Gesichtspunkte sollten Sie bei der Formulierung des digitalen Nachlasses beachten?
- Wer wird für welche Daten, Accounts und sonstige Daten benannt?
- Was (Daten, Accounts und Infos) sollen gelöscht werden?
- Wie soll der digitale Erbe mit Ihren Accounts und Fotos in sozialen Netzwerken umgehen?
- Wann ist ein digitaler Verwalter des Nachlasses sinnvoll, der als eine Art Mediator dafür sorgt, dass es unter den Erben nicht zum Streit kommt?
Ebenfalls hilfreich: Legen Sie bereits eine Liste an, welche Verträge gekündigt werden müssen und wo die Informationen dafür liegen.
GUT ZU WISSEN
Verträge, die digital abgeschlossen wurden, werden mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf die Erben übertragen. Das bedeutet, dass die Erben auch eventuelle Kosten übernehmen müssen. Daher ist es ratsam sicherzustellen, dass Ihre benannte Vertrauensperson in der Lage ist, laufende Verträge zu kündigen. Dies betrifft beispielsweise Streaming-Abonnements, Premium-Mitgliedschaften oder auch Dienstleistungen von Partnervermittlungen.
Der digitale Nachlass in Deutschland: Umfragen und Statistiken
Gemäß einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2016 hatten lediglich 8 % der Befragten in Deutschland ihre Zugangsdaten zu sämtlichen Diensten und Online-Konten für ihre Hinterbliebenen hinterlegt. Schätzungen von Web.de und GMX aus dem Jahr 2019 besagen, dass 15 % der Internetnutzer ihren digitalen Nachlass zumindest für einige ihrer Online-Konten geregelt haben, indem sie beispielsweise Zugangsdaten für eine Vertrauensperson hinterlegt haben. Medien betonen, dass der digitale Nachlass mittlerweile praktisch auf derselben Stufe steht wie das physische Erbe und somit auch den Zugang zu Fotos, E-Mails und Vertragsunterlagen einschließt.
Digitaler Nachlass: So sieht die Rechtslage in Deutschland aus
Der digitale Nachlass beschäftigt auch in Deutschland immer mehr Menschen. Doch wie ist die Rechtslage dazu? Was passiert mit unseren digitalen Spuren nach dem Tod?
Im deutschen Erbrecht existiert keine explizite Regelung für den digitalen Nachlass. Stattdessen greifen verschiedene Rechtsbereiche wie das Persönlichkeitsrecht (postmortal), das Urheberrecht und das Telemediengesetz ineinander. Für Erblasser bedeutet das: Je präziser sie ihren digitalen Nachlass dokumentieren, desto größer ist die rechtliche Sicherheit für ihre Erben.
Juristisch betrachtet gehören der digitale Nachlass und digitale Vermögenswerte zum Gesamterbe. Professionelle Nachlassverwalter unterliegen dabei der Schweigepflicht als Berufsgeheimnisträger. Auf Wunsch kann diese Schweigepflicht auch auf die Erben des digitalen Nachlasses übertragen werden.
Der digitale Nachlass unterliegt dem Erbrecht
In der Vergangenheit haben Anbieter von Online-Diensten oft Angehörigen den Zugriff auf die Konten Verstorbener verweigert. Im Jahr 2018 stärkte der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte der Angehörigen mit einem wegweisenden Urteil. Danach ist der digitale Nachlass mit anderen Erbgegenständen gleichgestellt. Das bedeutet, dass Erben Zugriff auf die Daten von E-Mail-Konten und Social-Media-Accounts haben dürfen, selbst wenn der Verstorbene in den Kontoeinstellungen etwas anderes festgelegt hat.
An wen geht der digitale Nachlass nach dem Tod? – Nachlassverwalter
Die Auswahl eines digitalen Nachlassverwalters erfordert sorgfältige Überlegung. Dabei ist es entscheidend, eine vertrauenswürdige und online-affine Person zu wählen, die in der Lage ist, Ihren letzten Willen in Bezug auf den digitalen Nachlass umzusetzen. Familienangehörige wie Ehepartner oder Kinder können in Betracht gezogen werden, doch ist es wichtig zu bedenken, ob die Verwaltung des digitalen Erbes für sie eine Belastung darstellen könnte. Falls keine Familienangehörigen infrage kommen, können auch Freunde oder Bekannte beauftragt werden, sofern sie dem zustimmen. Als weitere Option stehen Rechtsanwälte und spezialisierte Nachlassdienstleister zur Verfügung, um die Abwicklung des digitalen Nachlasses zu unterstützen, wenn dies gewünscht ist.
Nachlassverwalter für Google- und Facebook-Dienste
Bei einigen Diensten besteht die Möglichkeit, festzulegen, was mit Ihrem Account nach Ihrem Ableben geschehen soll. Diese Funktion ist in der Regel in den Einstellungen verfügbar, wie beispielsweise bei Google und Facebook. In beiden Fällen müssen Sie sich einloggen und können dann festlegen, welche Personen nach Ihrem Tod Zugriff auf Ihre Online-Konten erhalten dürfen. Besonders bei Google kann dies sehr umfassend sein, da die Konten je nach Nutzung Fotos, Kalender, Videos (YouTube), Zahlungsinformationen, Smartphone-Einstellungen und mehr enthalten können. Wenn Sie Apple-Geräte verwenden, können Sie mit dieser Anleitung die Zugriffsregelung auf Ihr Apple-Konto nach Ihrem Ableben festlegen.
Rechte und Pflichten eines digitalen Erben
Der letzte Wille bezüglich der festgelegten digitalen Informationen kann erst nach der Eröffnung des Testaments und der Einsichtnahme des Erben in den Nachlass akzeptiert oder abgelehnt werden. Grundsätzlich tritt die Gesamtrechtsnachfolge in Kraft, was bedeutet, dass das digitale Erbe nicht separat von anderen Vermögenswerten angenommen oder abgelehnt werden kann. Erben, die das Erbe inklusive des digitalen Erbes annehmen, sollten idealerweise bestimmte Online-Verträge kündigen, um nicht ungewollte Verpflichtungen einzugehen. Eine Verpflichtung zur Kündigung besteht jedoch nicht, etwa wenn eine Domain weitergeführt werden soll.
Es ist wichtig zu beachten, dass laufende Online-Verträge möglicherweise langfristige finanzielle Verpflichtungen mit sich bringen können. Viele Anbieter haben im Falle des Ablebens eines Vertragskunden spezielle Kündigungsregelungen.
Wenn nichts geregelt wurde
Wenn zu Lebzeiten keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen wurden, sind nach dem Ableben oft IT-Experten gefragt, um kostenpflichtig die Online-Konten ausfindig zu machen. Es gibt Dienstleister, die anhand des Namens, der E-Mailadresse und des Geburtsdatums der verstorbenen Person Anfragen bezüglich vorhandener Kundenkonten und Profile bei verschiedenen Online-Diensten stellen. Allerdings ist die Sicherheit der Daten bei solchen Unternehmen schwer einzuschätzen, weshalb Experten davon abraten. Zusätzlich werden die Daten von solchen Dienstleistern in der Regel in einer Cloud gespeichert und die Nutzernamen sowie Passwörter gemeinsam verwaltet, was sie zu einem attraktiven Ziel für Hacker-Angriffe macht.
Fazit
Der Umgang mit dem digitalen Nachlass ist in der heutigen Zeit von großer Bedeutung. Es geht um die Verwaltung der digitalen Spuren und Informationen, die eine Person im Internet hinterlässt. Dies beinhaltet E-Mails, Social-Media-Profile, Online-Konten und vieles mehr. Es ist entscheidend, frühzeitig Vorkehrungen zu treffen, um persönliche Daten zu schützen und den digitalen Fußabdruck eines Verstorbenen zu bewahren oder zu löschen.
Es empfiehlt sich, eine vertrauenswürdige Person zu benennen, die für die Angelegenheiten des digitalen Lebens verantwortlich ist, und dies schriftlich in einer Vollmacht festzuhalten. Eine detaillierte Liste der Accounts mit Benutzernamen und Passwörtern sollte für diese Vertrauensperson erstellt werden.
Es ist ratsam, bereits zu Lebzeiten eine Liste anzulegen, welche Verträge gekündigt werden müssen und wo die Informationen dafür zu finden sind. Zudem sollte bedacht werden, dass Verträge, die digital abgeschlossen wurden, mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf die Erben übergehen.
Insgesamt ist es von großer Bedeutung, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um den Umgang mit dem digitalen Nachlass zu regeln. Dies erspart den Hinterbliebenen nicht nur eine zeitraubende Aufgabe, sondern auch eine erhebliche emotionale Belastung. Es ist ein wichtiger Schritt, die digitalen Spuren eines Verstorbenen zu bewahren und dabei die Privatsphäre zu respektieren.